Zeitumstellung im Deutschen Bundestag, Oktober 2025
16. Oktober 2025 (34. Sitzung) TOP 23 Zeitumstellung
Vor dem Hintergrund der am letzten Oktoberwochenende erneut anstehenden Zeitumstellung von Sommer- auf Winterzeit hat die AfD-Fraktion zwei parlamentarische Initiativen vorgelegt, die der Bundesstag am Donnerstag, 16. Oktober 2025, erstmals beraten hat.
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw42-de-zeitumstellung-1114132
Ein persönlicher Kommentar ...
Ohnsorg-Theater mit Fehlbesetzung oder fühl' mich, wie im falschen Film
Im Bundestag wurde am Donnerstag, dem 16. Oktober 2025 „beraten“.
Was ist denn das?, frage ich mich, als es endlich am späten Donnerstagabend um das Thema Zeitumstellung im Bundestag gehen soll.
Mir war schon vorher klar, dass meine Erwartungen nicht hoch sein dürfen, aber ich hatte gehofft, dass es wenigstens ein bisschen weitergeht, mit der Beendigung der Zeitumstellung, dass es verantwortungsbewusste Menschen gibt, die für Politik bezahlt werden.
Ich finde es traurig und bin empört, was da im Fernsehen live zu sehen war. Politiker*innen aller anwesenden Parteien nutzen nur ihre Chance, sich als Laienspieler auf einer (sogar von Steuergeldern finanzierten) Bühne irgendwie zu präsentieren. Das war Theater (kein gutes), sonst nichts.
Kein*e Redner*in hat auch nur ansatzweise verstanden, um was es beim Thema Zeitumstellung eigentlich geht. Es leiden viele Menschen darunter. Es gibt dringenden Handlungsbedarf. Es ist unverantwortlich, was die Mächtigen der Politik sich erlauben und damit einem großen Teil der Bevölkerung zumuten.
Aber: eins nach dem anderen.
Was genau ist uns da auf der Bühne vorgetragen worden? Der erste Akteur auf dieser Bühne namens Bundestag freute sich sichtlich, endlich zu Wort zu kommen und sich lustig machen zu können. „Zu den Symptomen der Zeitumstellung … und da brauchen Sie gar nicht so zu kichern … Konzentrationsprobleme, Müdigkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit, depressive Verstimmungen … stelle ich hier bei Ihnen auch fest – auch ohne Zeitumstellung …“
Dann weiter: „… Herzinfarkte und Unfallzahlen, also kein so lustiges Thema, wie Sie hier tun“.
Der Sprecher (im Übrigen wie allen anderen auch) hat das Problem weder erkannt noch verstanden. Sein Fazit am Ende machte es deutlich, indem er lachend seinen Monolog abschloss: „… Wenn Sie schon nicht an die Menschen denken, dann denken Sie vielleicht an die Milchkühe, die kommen damit nämlich gar nicht zurecht“.
Der zweite Akteur eröffnet seine Rede mit dem Eingeständnis, sich im Vorfeld verlesen zu haben, und versuchte, sich (wie auch alle anderen) in Polemik. Vielleicht dachte er bei seinen einleitenden Worten, er könne das Publikum mit (Schein-?) „Ehrlichkeit“ einlullen, und die Zuschauer*innen möchten jemanden so reden hören … endlich ein Mensch auf der Bühne, der zugibt, dass er Fehler macht und sich verlesen hat. Seltsam.
Was wir dann zu hören bekommen, ist allerdings interessant. In der Kinderzeit hat er "Momo" gelesen und will die „grauen Männer“, die die Zeit stehlen wollen, in unseren Köpfen aktivieren. Ich (und wahrscheinlich das gesamte Publikum) frage mich nur: „Wer stiehlt hier wem die Zeit?“ oder auch: „Wer versucht hier, wem die Show zu stehlen?“ In den nächsten langen Minuten stellt sich heraus, dass auch dieser Redner leider das Thema völlig verfehlt. Ich wünsche ihm, dass er abends im Biergarten stets ein Freibier erhält, vielleicht hilft es ihm, früher schlafen zu gehen.
Es wird dramatischer. Der nächste Sprecher macht gleich zu Anfang deutlich, dass ihm die Gesundheit der Menschen, die unter der Zeitumstellung leiden, nicht interessiert. Hauptsache, gegen andere wettern. Interessant aber, was er dann kundzutun hat. Er hat Angst vor Chaos. Gerade der Fanclub dieses Darstellers stand früher Veränderungen eher offen gegenüber, und sie sorgten selbst auch hier und da mal für Chaos. Der Mann mit leicht grün kariertem Schlips wirkt recht jung und war vermutlich bei der Einführung der Zeitumstellung nicht dabei. Für mich war es damals kein Problem als in den Niederlanden die Zeitumstellung galt und in Deutschland nicht (nur ein paar Kilometer bis zur Grenze wohnend). Mit viel Polemik verabschiedet sich auch dieser Darsteller von der Bühne.
Aber es kommt noch theatralischer. An dieser Stelle ein Lob an den/die Drehbuchautor*in dieses Gesamttheaterwerkes, die Steigerungskurve war durchdacht.
Denn die nun ins Rampenlicht eilende Laienspielerin nutzt die Bühne für ihren fast auswendig gelernten Monolog und sorgt mit ihrer Mimik und Gestik und mit phantasievollen Metaphern für Abwechslung. Ein bisschen fühlt man sich wie in der Geschichte von „Fredrick“ (Leo Lionni), aber leider ist das, was hier präsentiert wird, keine Kinderbuchgeschichte, sondern es ist der Deutsche Bundestag!
„Sonne im Rücken statt Schatten im Kopf“, ein schöner Slogan, aber leider an der falschen Stelle. Auch diese Darstellerin hält nicht damit hinterm Berg, dass sie "Momo" gelesen hat. „Zeit ist Leben“. Ja, sie hat recht, wir brauchen viel Sonne, aber auch ausreichend und erholsamen Schlaf für die Gesundheit. Wer krank ist, weil der Schlafmangel chronisch geworden ist, dem nützt der zusätzliche Sonnenschein am Abend nicht.
Man kann die Sonne nicht genießen, weder vor noch nach der Arbeit, die man nicht oder nur teilweise machen kann, wenn man infolge (oder einer Mitbeteiligung) der Zeitumstellung arbeitsunfähig oder stark eingeschränkt ist. Die gesundheitlichen Folgen sind vielfach nachgewiesen (vgl. Fachärzt*innen, wissenschaftliche Studien, etc.).
Zum Abschluss dieses wirklich unfassbaren Theaters betritt der letzte Spieler die Bühne. Er schafft es, das (scheinbare) Bestreben dieses Theaters, dem Publikum zu zeigen, dass es nämlich von niemandem ernst genommen wird, mit Bravour auf die Bühne zu tragen, und kein Zuschauer verlässt den Saal, ohne das sichere Gefühl der Ohnmacht und dem Wissen, dass jede*r sich selbst der Nächste ist.
Dieser Monologist macht gleich zu Anfang deutlich, dass es ihm nicht wichtig ist, wenn Menschen mit der Zeitumstellung ernstzunehmende Schwierigkeiten haben. Und, wie schon viele andere seiner Berufskolleg*innen auch, ist er nicht in der Lage, sich mit der wirklichen Problematik der Zeitumstellung zu befassen, sondern weicht auf Themen wie „Flugverkehrsteuer, Chaos in Europa“ erst mal aus. Er beschwert sich über Diskussionen, die andere anstoßen, und stellt dann fest, dass in seinem Revier selbst uneinig über Sommerzeit und Winterzeit diskutiert wird.
Wie kann ein Politiker öffentlich von „überschaubaren Opferzahlen“ sprechen, wenn es diese gar nicht geben bräuchte, indem man die Zeitumstellung endlich wieder abschafft und die MEZ (Winterzeit) beibehält.
Man kann doch nicht die Anzahl der Menschen, die unter der Sommerzeit leiden, gegen die Menschen, die sich etwas mehr Komfort aus persönlichen Gründen wünschen, gegeneinander aufrechnen. Da glaube ich, ich bin im falschen Film.
Aber leider ist es kurz nach 23:00 MESZ im deutschen Fernsehen. Oben am Bildschirmrand steht „live“ und nicht Ohnsorg-Theater.
Die Sommerzeit gehört aus medizinischen und gesundheitlichen Gründen dringend (sofort) abgeschafft. Es scheitert an Politik, Machtstreben und fehlendem Willen.
Man lässt es zu, dass viele Menschen während der Sommerzeit um wertvolle Lebenszeit (länger als 6 Monate im Jahr!) beraubt werden.